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Russland-Austausch 2020

Ende Januar 2020 reisten 23 Schülerinnen und Schüler des Wittekind-Gymnasiums Lübbecke für 10 Tage nach Sibirien. Dort lebten sie in Gastfamilien in Nowosibirsk, der drittgrößten Stadt Russlands. Gemeinsam mit ihren Austauschpartnern nahmen sie am Unterricht der Partnerschule, dem Gymnasium Nr. 1, teil. In den Familien erfuhren die deutschen Jugendlichen die sprichwörtliche sibirische Gastfreundschaft: „Ich fand das Essen sehr lecker. Besonders gefreut hat mich, dass sogar vegetarisch für mich gekocht wurde“, betont Lea Faulhaber, 9c. Lilith Welpott, EF, stellt heraus: “Es war toll, wie gut die Gastfamilien sich um uns gekümmert haben, auch wenn es uns mal nicht so gut ging.“

Neben der Teilnahme am sibirischen Familien- und Schulalltag arbeiteten die Schülerinnen und Schüler in deutsch-russischen Kleingruppen zu verschiedenen Themen, häufig mit ökologischem Schwerpunkt: Im Birkenrinden-Museum erfuhren sie viel über die besonderen Eigenschaften dieses typisch russischen Materials, das traditionell in der Vorratshaltung, aber auch für künstlerische Objekte genutzt wird. Eine Führung durch das kürzlich erbaute Nowosibirsker Papier- und Kartonkombinat zeigte den deutschen Gästen, dass auch in einem Land mit scheinbar unendlichen Wäldern zunehmend auf Recycling gesetzt wird, um die natürlichen Ressourcen zu schonen. Besonders eindrucksvoll war ein Besuch bei Ivan Lapin, einem Filzstiefelhersteller, in einem tief verschneiten Dorf, zu dem der schuleigene Minibus sich nur mit großer Mühe durchschlagen konnte. Mit Begeisterung pflegt Ivan das traditionelle Handwerk, überzeugt von den heilsamen Eigenschaften der aus unbehandelter Wolle in mühsamer Handarbeit hergestellten Filzstiefel. Zu seinen Mitarbeitern zählen viele Personen, die etwa aufgrund von Behinderungen kaum Chancen auf einen anderen Arbeitsplatz hätten.
Neben der Projektarbeit blieb aber natürlich auch Zeit, die russische Kultur kennen zu lernen: Im Folklore-Zentrum eigneten sich die Schülerinnen und Schüler traditionelle russische Tänze an und führten eine typische Tee-Zeremonie durch. Im architektonisch beeindruckenden Operntheater sahen sie eine Ballettaufführung von „Romeo und Julia“ in aufwendiger Inszenierung.
In diesem Jahr wurde der Austausch um eine musikalische Note bereichert: In Begleitung von Harald Szobries, Musiklehrer und Leiter des Orchesters am Wittekind-Gymnasium, reisten sechs junge Musikerinnen und Musiker mit. In Zusammenarbeit mit den Leiterinnen des Geigenensembles am Nowosibirsker Gymnasium hatten sie ein kleines Konzert zunächst getrennt vorbereitet und dann in wenigen gemeinsamen Proben vervollkommnet, um es auf der Bühne der voll besetzten Aula des Gymnasiums Nr. 1 zur Aufführung zu bringen. „Für mich war das musikalische Projekt sehr spannend, da es eine besondere Erfahrung war, mit anderssprachigen Menschen gemeinsam Musik zu machen“, erzählt Laurin Miklautsch, 9b, der Geige und Gitarre spielt.
Den sibirischen Winter konnte die deutsch-russische Gruppe besonders intensiv während eines zweitägigen Aufenthalts in einem Jugendlager am Ob-Stausee erleben: Hier standen Wettspiele im Schnee auf dem Programm, aber auch das gemeinsame Basteln von Futterhäuschen, die den Vögeln über die lange, nahrungsarme Zeit hinweghelfen sollen.
Auch die Gastfamilien gaben sich alle erdenkliche Mühe, den deutschen Jugendlichen das ganze Spektrum sibirischer Winteraktivitäten zu zeigen. Nicht für Sibirier, aber wohl für Lübbecker hatte schon das Schlittschuhlaufen unter freiem Himmel vor der romantisch beleuchteten abendlichen Kulisse des Operntheaters etwas Exotisches. Andere standen zum ersten Mal im Leben auf Skiern, fuhren auf einem Schneemobil oder trafen sich zum Curling. Eine Gastmutter, selbst Preisträgerin im Helikopterkunstflug, lud ihre deutsche Austauschschülerin kurzerhand zu einem Rundflug über Nowosibirsk ein. Weniger winterlich, aber auch sehr beeindruckend war für eine andere Schülerin das Schwimmen mit einem Delphin im Nowosibirsker Zoo.
Außer den Ausflügen, der Projektarbeit und den Aktivitäten im Schnee bleibt den deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aber vor allem eins im Gedächtnis: „Wir haben viele neue Menschen kennen gelernt und neue Freundschaften geknüpft. Ein besonderes Erlebnis war der letzte Tag, als wir uns noch einmal mit unseren neuen russischen Freunden zu einer Vetscherinka, einer kleinen Party zuhause, getroffen haben“, berichten Julia Maier, 9c, und Alina Faulhaber, 9a.
Der Sibirien-Austausch des Wittekind-Gymnasiums kann in diesem Jahr ein Jubiläum feiern: Seit 10 Jahren begleiten die Russischlehrer Sabine und Klaus Sewing Schülergruppen in den fernen Osten. „Es freut uns sehr, dass sich immer wieder eine so große Gruppe unserer Schülerinnen und Schüler für die Fahrt nach Sibirien interessiert - ungeachtet der wechselhaften politischen Beziehungen zwischen unseren Ländern“, betont Klaus Sewing. Dass die weite Reise für die Familien der Teilnehmer erschwinglich bleibt, ermöglicht die Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch in Hamburg, die diesen Austausch seit Beginn sehr substanziell fördert.
Im Oktober erwarten die deutschen Jugendlichen ihre Austauschpartner als Gäste in Lübbecke und haben schon jetzt Ideen, wie sie ihren sibirischen Freunden eine spannende Zeit in Ostwestfalen bereiten können.