Teilnehmer des CARE-Projektes beschäftigten sich in Finnland mit Flucht und Migration

Erasmus+ Projekte haben immer zum Ziel, Schülerinnen und Schüler für das vereinte Europa zu begeistern und ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie aktiv zu unserer Gemeinschaft beitragen können. Wie kann das aber derzeit gelingen, wo doch mitten in Europa Krieg herrscht?
Zwölf Schülerinnen und Schüler des Wittekind-Gymnasiums in Lübbecke machten sich Ende Mai gemeinsam mit den Lehrerinnen Jessica Stefener und Silke Horst auf den Weg nach Helsinki, wo sie auf ihre finnischen Partner aus Jyväskylä trafen, um sich dort mit den Themen Immigration und Flucht auseinanderzusetzen.

Diese standen bereits seit mehr als zwei Jahren auf dem Plan des Besuchs, jedoch konnte damals noch niemand ahnen, dass sie gerade jetzt noch so viel mehr Brisanz und traurige Aktualität gewinnen würden.
Während ihrer Reise im Rahmen des Erasmus+ Projektes CARE wollte die bilaterale Gruppe erfahren und diskutieren, wie Flüchtlinge und Immigranten in Finnland und Deutschland aufgenommen werden, welche Möglichkeiten es für sie gibt, aber vor allem, wer sich um sie kümmert. Ein Einblick in die verschiedenen Berufe sollte erfolgen.
Finnland, für viele moderne, soziale und innovative Ideen bekannt, ist erst seit 1917 ein eigenständiger Staat und die Geschichte des Landes bringt mit sich, dass die individuellen Schicksale vieler Menschen eng mit Immigration, Flucht und Vertreibung verknüpft sind. Viele Finnen haben russische Wurzeln oder enge Verbindungen zu ihren schwedischen Nachbarn, da sie lange Zeit einem der beiden Staaten angehörten. Helsinki selbst liegt nur knapp 200 Kilometer von der russischen Grenze entfernt.
Nicht nur deshalb entstand bei den deutschen Gästen der Eindruck, dass hier viel für Menschen getan wird, die Zuflucht oder ein neues Leben im Norden Europas suchen.
Die Gruppe hatte Gelegenheit, von Ali Maghsoud aus erster Hand zu erfahren, wie es einem Immigranten in Finnland ergeht. Er schilderte eindrucksvoll von Hürden und Schwierigkeiten, aber auch genauso von spannenden und lustigen Momenten, die mit seiner Einreise und dem Einleben in dem neuen Land verknüpft waren.
Inzwischen arbeitet der iranische Einwanderer bei „Helsinki-info“, einem Service, der Flüchtlingen und Migranten Unterstützung in verschiedenen Bereichen bietet. In zwölf verschiedenen Sprachen kümmern sich die Mitarbeiter um Fragen des Alltags, helfen bei der Wohnungssuche, beim Ausfüllen von Dokumenten und beim Behördengang. Dies konnten die Schülerinnen und Schüler vor Ort erfahren und zahlreiche Fragen stellen.
Darüber hinaus besuchte die Gruppe die öffentliche Bibliothek „Oodi“, die aber viel mehr bietet, als eine herkömmliche Ausleihbücherei. Die Stadt Helsinki hat 100 Millionen Euro  investiert und mit Oodi bewiesen, wie viel ihnen ihre Einwohner wert sind und dass Steuergelder in Finnland sinnvoll für das Wohlergehen der Menschen beeindruckend angelegt werden. In Oodi kommt ganz Helsinki zusammen, um zu lesen, zu arbeiten, sich auszuruhen oder zahlreiche andere Dinge zu erledigen. Besonders Neuankömmlinge finden hier Hilfe, Anschluss an die lokale Bevölkerung und Möglichkeiten, die zahlreichen technischen Geräte zu nutzen. Hier bietet die Stadt nicht nur Computer zur öffentlichen und kostenlosen Nutzung an, auch Nähmaschinen, 3D-Drucker, eine Küche und vieles mehr stehen zur Verfügung. Eine Familie, die nur mit wenig Hab und Gut in Helsinki ankommt, findet dort alles, was vielleicht in der Heimat zurückgelassen werden musste, und auch persönliche Kontakte und Unterstützung.
Die zusätzliche Ausstellung „Europa @ Oodi“ wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern genutzt, um sich noch einmal den europäischen Gedanken bewusst zu machen und die Möglichkeiten vor Augen geführt zu bekommen, die diese Gemeinschaft mitbringt. Besonders aber half es, die Bedeutung Europas in der Krise zu erkennen, denn zahlreiche Bilder machten gerade darauf aufmerksam.
Beim Besuch im Museum der Stadt Helsinki konnte ein anderer Schwerpunkt des CARE Projektes in den Blick genommen werden: Die Sonderausstellung „Broken - A Shattered Mind“ setzte sich mit der Disintegration von psychisch kranken Menschen auseinander und zeigte eindrucksvoll aus der Perspektive eines Betroffenen, mit welchen Problemen diese zu kämpfen haben.
Abschließend wurde den Lübbeckern bei einer Führung durch das finnische Nationalmuseum nochmals anschaulich dargestellt, inwiefern die finnische Geschichte durch Zuwanderung und durch den intensiven Seehandel beeinflusst und bereichert wurde. Überraschend für die Gäste war dabei insbesondere, dass in Finnland verschiedene Religionen scheinbar immer friedlich koexistiert haben. Diese hatten sie auch schon beim Stadtbummeln erkennen können, denn Helsinkis Stadtansicht wird dominiert durch zwei charakteristische Kirchen als Symbole für die evangelische und russisch-orthodoxe Religion und somit für die Zuwanderung aus Zentraleuropa als auch für die Zugehörigkeit zu Russland in der Vergangenheit. Bei ihrer Abreise hofften alle sehr, dass diese friedliche Koexistenz auch bald wieder Einzug in ganz Europa erhält.